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EGMR-Klimaurteil: Sieg für die Klimaseniorinnen

Hannes Radinger • 23. Mai 2024

Einleitung


Der Jubel war groß nach der lang erwarteten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) im Verfahren Verein KlimaSeniorinnen Schweiz and Others v. Switzerland (Urteil vom 09.04.2024 - 53600/20).[1] Der EGMR hat zum ersten Mal positiv über eine Klimaklage entschieden und die Schweiz wegen unzureichender Klimaschutzmaßnahmen verurteilt. Der Klimawandel sei „eines der drängendsten Probleme unserer Zeit“[2] und stelle laut dem Gericht eine Gefahr für die Menschenrechte dar. Zwei Kernpunkte der Entscheidung sowie deren Auswirkungen im nationalen Recht sollen im Folgenden vorgestellt werden.


Inhalt der Entscheidung


Zunächst zur Fallkonstellation: Geklagt hatten der „Verein KlimaSeniorinnen“, ein Zusammenschluss älterer Frauen aus der Schweiz, die sich für mehr Klimaschutzmaßnahmen einsetzen, sowie vier ältere Frauen, die dem Verein angehören. Gestützt wurden die Klagen unter anderem auf das hohe Lebensalter der Klägerinnen: Diese seien aufgrund ihres Alters besonders von den Auswirkungen des Klimawandels (z.B. Hitzewellen) betroffen, was ihre Gesundheit und ihre Lebensbedingungen erheblich beeinträchtige. Der EGMR stellte zwei Konventionsverstöße fest: eine Verletzung von Art. 8 (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) und Art. 6 EMRK (Recht auf ein faires Verfahren). 


1. Die wichtigste Aussage des Urteils ist ohne Zweifel, dass das Recht auf Privat- und Familienleben (Art. 8 EMRK) ein Recht des Einzelnen auf wirksamen Schutz vor schwerwiegenden Auswirkungen des Klimawandels auf Leben, Gesundheit, Wohlergehen und Lebensqualität umfasst.[3] Umgekehrt folgt daraus eine staatliche Schutzpflicht zur Eindämmung des Klimawandels. Der EGMR hat Art. 8 EMRK mit der Zeit nicht unerheblich ausgeweitet und die Vorschrift in das Zentrum seiner Rechtsprechung zu Umweltsachen gestellt.[4] Die Vorschrift gewährt zwar kein Recht auf eine saubere und ruhige Umwelt, kein Recht auf Naturschutz oder Erhaltung der Natur[5], allerdings können Umweltbeeinträchtigungen von einem gewissen Gewicht das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens beeinträchtigen. Der Begriff des Privatlebens wird dabei umfassend verstanden und beinhaltet auch die körperliche und psychische Integrität und Lebensqualität, etwa durch den Schutz vor Umweltbelastungen wie Abgasen, Lärm oder anderen Immissionen.[6] An diese inzwischen umfangreiche Rechtsprechung knüpft die Große Kammer beim aktuellen Fall an und erweitert sie: die Vertragsstaaten haben die Pflicht, Maßnahmen zum Schutz vor den Gefahren des Klimawandels zu treffen. Aus Art. 8 EMRK folgt somit, dass die Vertragsstaaten Maßnahmen ergreifen müssen zur „erheblichen und schrittweisen Reduzierung ihrer Treibhausgasemissionen, um Treibhausgasneutralität grundsätzlich innerhalb der nächsten drei Jahrzehnte zu erreichen.“[7]


Wichtig ist dabei, dass der Gerichtshof beim Ermessensspielraum, den er den Staaten zubilligt, differenziert: Auf der einen Seite steht das „Bekenntnis des Staates zur Notwendigkeit der Bekämpfung des Klimawandels […] und die Festlegung der in dieser Hinsicht erforderlichen Ziele“ (das „Ob“) und auf der anderen Seite die „Wahl der Mittel zur Erreichung dieser Ziele“ (das „Wie“). Hinsichtlich des Bekenntnisses zur Bekämpfung des Klimawandels haben die Vertragsstaaten im Hinblick auf „Art und Schwere der Bedrohung“ einen „reduzierten“ Ermessensspielraum, bei der Wahl der Mittel ist der Ermessensspielraum hingegen „weit“.[8] Der Gerichtshof hat sich eingehend mit den Klimaschutzmaßnahmen der Schweiz befasst und „kritische Lücken“[9] festgestellt, etwa das Versäumnis, die nationalen Grenzen für Treibhausgasemissionen durch ein Kohlenstoffbudget oder auf andere Weise zu quantifizieren. Darüber hinaus hat der Gerichtshof festgestellt, dass die Schweiz ihre Ziele zur Verringerung der Treibhausgasemissionen in der Vergangenheit nicht erreicht hat. Indem die Schweiz nicht rechtzeitig und konsequent genug Maßnahmen zum Klimaschutz erarbeitet und umgesetzt hat, überschreitet sie ihren Ermessensspielraum und verletzt Art. 8 EMRK.


2. Der zweite Kernpunkt der Entscheidung betrifft die Stellung der Umweltverbände hinsichtlich ihrer Opfereigenschaft (Beschwerdebefugnis) nach Art. 34 EMRK. Geklagt hatten der Verein KlimaSeniorinnen selbst sowie vier seiner Mitglieder. Hinsichtlich der einzelnen Antragsteller hält der Gerichtshof an den strengen Voraussetzungen seiner früheren Rechtsprechung in Bezug auf die Beschwerdebefugnis fest. Der Gerichtshof hat im Urteil betont, dass die Hürden für diese Voraussetzungen (im Hinblick auf den Ausschluss von Popularklagen) sehr hoch sind und im vorliegenden Fall waren sie nicht erfüllt. 


Bei der Beschwerdebefugnis des Vereins legt der Gerichtshof eine erstaunliche Wende hin: Unter recht niedrigen Voraussetzungen und in Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung wurde die Individualbeschwerde des Vereins zugelassen.[10] Besonders hervorzuheben ist die Neuerung, dass eine Vereinigung nicht nachweisen muss, dass die Einzelpersonen, die sie repräsentiert, selbst die Anforderungen an die Beschwerdebefugnis erfüllt haben.[11]

Dadurch entsteht eine merkwürdige Konstruktion: Während der Gerichtshof die einzelnen Klägerinnen nicht hinreichend in ihren Rechten verletzt sieht, gibt er der Beschwerde des von ihnen mitgetragenen Vereins statt. Die einzelnen natürlichen Personen, die (aufgrund der hohen für sie geltenden Voraussetzungen) nicht klagen können, überwinden somit die Beschwerdebefugnis durch die Mitgliedschaft in einer Vereinigung.[12] Diese auf den ersten Blick fragwürdige Konstruktion lässt sich dadurch erklären, dass der EGMR keine Popularklagen zulassen will, aber dennoch die Möglichkeit für Klagen betreffend die Verletzung von Menschenrechten durch den Klimawandel offenlassen will. Diese Möglichkeit besteht aber nicht, wenn Vereinigungen die Betroffenheit ihrer Mitglieder nachweisen müssen. Der Gerichtshof hat drei einschränkende Kriterien für die Beschwerdebefugnis von Vereinigungen aufgestellt, die im Wesentlichen auf den Zweck und die Repräsentativität der Vereinigung beziehen, insbesondere dass die Vereinigung sich besonders für von Klimawandel bedrohte Menschenrechte einsetzt. 


Der Gerichtshof hat damit die Rolle von Umweltverbänden im Kampf gegen den Klimawandel wesentlich gestärkt. Im vorliegenden Fall hatten die schweizerischen Gerichte die Klagen des Umweltverbands nicht hinreichend geprüft, da sie nur die erhobenen Klagen der Einzelpersonen geprüft und dabei die Klagebefugnis des Umweltverbands offengelassen haben. Das reicht nach Ansicht des EGMR nicht aus, weswegen er eine Verletzung von Art. 6 EMRK in Bezug auf den Verein KlimaSeniorinnen bejaht.


3. Die Feststellungen des Gerichtshofs sind bahnbrechend und werden über den Fall hinaus Auswirkungen zeigen. Das Urteil bindet zwar nur die Schweiz direkt (Art. 46 EMRK), seine indirekten Auswirkungen dürfen aber nicht zu gering eingeschätzt werden. 


Das Urteil wird die Auslegung der einschlägigen nationalen Menschenrechte in den EMRK-Vertragsstaaten beeinflussen, etwa in Österreich, wo die EMRK Verfassungsrang besitzt. In Deutschland hat die EMRK zwar nur den Rang eines einfachen Gesetzes, ihr kommt aber aufgrund des Grundsatzes der völkerrechtsfreundlichen Auslegung ein höheres Gewicht und damit eine Stellung zwischen einfachem Gesetz und Verfassung zu. In diesem Rahmen hat das Bundesverfassungsgericht ein Gebot zur Heranziehung der EMRK (einschließlich der Rechtsprechung des EGMR) als Auslegungshilfe für die Auslegung der Grundrechte des Grundgesetzes aufgestellt.[13] Von der Entscheidung des EGMR geht somit zumindest eine indirekte Wirkung auf die deutschen Grundrechte aus. 

Auch die Rolle von Umweltverbänden im nationalen Recht wurde durch das Urteil entscheidend gestärkt. Angesichts der Komplexität des Klimawandels und der Problematik, den vom Klimawandel betroffenen Menschen ausreichend gerichtlichen Schutz einzuräumen, sieht der EGMR in Umweltverbänden aufgrund ihrer Repräsentativität eine entscheidende Möglichkeit zum Umgang mit dem Klimawandel auf rechtlicher Ebene und scheint verstärkt prüfen zu wollen, ob die Vertragsstaaten den Umweltverbänden in ihrem nationalen Recht eine ähnlich wichtige Rolle zuweisen, wie es der Gerichtshof in seinem Urteil getan hat.[14]


Fazit: ein wegweisendes Urteil?


Der Jubel über das Urteil war groß, nicht nur unter den Klimaseniorinnen. Zurecht kann dieses Urteil als historisch bezeichnet werden. Der Gerichtshof entwickelt seine bisherige Rechtsprechung zu Umweltsachen im Lichte der Klimakrise weiter. Klimaklagen bewegen sich stets im Spannungsfeld zwischen effektivem Schutz der Menschenrechte vor den Auswirkungen des Klimawandels und einem dem Vorwurf des Übergriffs auf die Gewaltenteilung. Der Gerichtshof schafft es, die betroffenen Aspekte überzeugend in Ausgleich zu bringen: einerseits starke Betonung der Rolle der Gerichte beim Klimaschutz, Wahrung staatlicher Souveränität durch Einräumung von Ermessensspielräumen andererseits. Sechs weitere Klimaklagen sind vor dem EGMR anhängig, darunter auch eine gegen Deutschland erhobene Beschwerde. Nicht nur diesen Klagen wird das Urteil Aufwind geben.



[1]
 Der EGMR urteilte am 09.04.2024 insgesamt über drei Klimaklagen. Allerdings hatte nur die Klägerinnen im Verfahren Verein KlimaSeniorinnen Schweiz and Others v. Switzerland Erfolg, während die beiden anderen Klagen (Carême v. France – 7189/21 und Duarte Agostinho and Others v. Portugal and 32 Others - 9371/20) als unzulässig abgewiesen wurden.

[2] EGMR, Urt. v. 09.04.24 – 53600/20 - Verein KlimaSeniorinnen Schweiz and Others v. Switzerland, Rn. 410. 

[3] Ebd., Rn. 519.

[4] Vgl. Meyer-Ladewig, NVwZ 2007, 25 (26 f.).

[5] EGMR, Urt. v. 9. 6. 2005 - 55723/00 Nr. 68 - Fedayeva/Russland.

[6] Karpenstein/Meyer/Pätzold, EMRK, 3. Aufl. 2022, Art. 8 Rn. 38.

[7] EGMR, Urt. v. 09.04.24 – 53600/20 - Verein KlimaSeniorinnen Schweiz and Others v. Switzerland, Rn. 548.

[8] Ebd., Rn. 543.

[9] Ebd., Rn. 573.

[10] Abel, Gemischte Signale für das nationale Klimarecht: Die Klimaentscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, VerfBlog,2024/4/19, https://verfassungsblog.de/gemischte-signale-fur-das-nationale-klimarecht/. 

[11] Arntz/Krommendijk, Historic and Unprecedented: Climate Justice in Strasbourg, VerfBlog, 2024/4/09, https://verfassungsblog.de/historic-and-unprecedented/.

[12] Wegener, Globuli für Umweltjuristen: Gedanken zur Klimaklagen-Bewegung anlässlich des Klimaseniorinnen-Urteils des EGMR, VerfBlog,2024/4/11, https://verfassungsblog.de/globuli-fur-umweltjuristen/.

[13] BVerfGE 111, 311 (317).

[14] Abel, Gemischte Signale für das nationale Klimarecht: Die Klimaentscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, VerfBlog,2024/4/19, https://verfassungsblog.de/gemischte-signale-fur-das-nationale-klimarecht/. 


von Camilla Seemann & Yvonne Lüftner 21. Juli 2024
Einleitung Der Internationale Seegerichtshof (International Tribunal of the Law of the Sea - ITLOS) in Hamburg hat durch ein wegweisendes Gutachten den globalen Klimaschutz bekräftigt und ein kraftvolles Signal für eine nachhaltige Zukunft gesendet! In der am 21. Mai 2024 verkündeten und veröffentlichten sog. advisory opinion stellte das Gericht fest, dass der vom Menschen verursachte Ausstoß von Treibhausgasen zur Erwärmung von Erde und Meeren beiträgt und somit eine Verschmutzung der Meeresumwelt gemäß dem UN-Seerechtsübereinkommen darstellt. Gestellt wurde der Antrag auf das Rechtsgutachten von der Commission of Small Island States on Climate Change and International Law (COSIS) am 12. Dezember 2022. Sie wurde 2021 mit dem Zweck gegründet, die existentielle Gefahr zu bekämpfen, die kleinen Inselstaaten im Lichte des Klimawandels naturgemäß anhaftet. Unterzeichnerstaaten des zugrundeliegenden Übereinkommens sind insb. die kleinen pazifischen Inseln. Im Folgenden wird zunächst das UN-Seerechtsübereinkommen mit besonderem Blick auf den Meeresschutz dargestellt. Sodann wird die Entscheidung des ITLOS im konkreten Fall näher dargestellt. Der Beitrag schließt mit einem kleinen Ausblick auf die Folgen des Gutachtens ab. Das UN-Seerechtsübereinkommen Das 1982 verabschiedete UN-Seerechtsübereinkommen (United Nations Convention of the Law of the Sea - UNCLOS) bildet den rechtlichen Rahmen für die Nutzung der Meere und Ozeane weltweit. Es wurde von mehr als 160 Staaten unterzeichnet, darunter von allen großen Industriestaaten und den fünf Anrainerstaaten der Arktis - mit Ausnahme der USA. [1] Das Abkommen definiert Seegrenzen, Küsten- und Schifffahrtsrechte, Zuständigkeiten im Bereich der Meeresforschung, des Technologietransfers, des Tiefseebergbaus sowie der Streitbeilegung. Es fördert die nachhaltige Nutzung der Meere, den Schutz der Meeresumwelt sowie die internationale Zusammenarbeit in maritimen Angelegenheiten. Zudem gewährleistet es eine sichere und freie Schifffahrt weltweit. [2] Insbesondere im Kontext des Klima- und Umweltschutzes kommt dem Übereinkommen eine wesentliche Bedeutung zu. Das Übereinkommen verpflichtet die Vertragsstaaten unter anderem dazu, die Meeresumwelt zu schützen und zu erhalten. Dies umfasst Maßnahmen zur Verhinderung, Verringerung und Kontrolle der Verschmutzung der Meere durch Aktivitäten wie Schifffahrt, Öl- und Gasförderung sowie Landentsorgung. [3] Des Weiteren wird im Übereinkommen die Notwendigkeit internationaler Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des Klimawandels und seiner Auswirkungen auf die Ozeane betont, wobei insbesondere der Anstieg des Meeresspiegels und die Übersäuerung der Meere zu nennen sind. Durch diese Bestimmungen leistet das UNCLOS einen wesentlichen Beitrag zur nachhaltigen Nutzung und Bewahrung der marinen Ökosysteme. Inhalt der Entscheidung Die Frage an deren Beantwortung das ITLOS für eine Dauer von fast eineinhalb Jahren arbeitete lautet: “Was sind die besonderen Verpflichtungen der Vertragsstaaten des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen (United Nations Convention of the Law of the Sea, UNCLOS), unter anderem nach Teil XII: (a) Die Verschmutzung der Meere zu verhindern, zu verringern und zu kontrollieren vor dem Hintergrund der schädlichen Auswirkungen, die sich aus dem Klimawandel ergeben oder wahrscheinlich ergeben werden, unter anderem durch die Erwärmung der Ozeane, den Anstieg des Meeresspiegels, und die Übersäuerung der Meere, die durch anthropogene Treibhausgasemissionen in die Atmosphäre verursacht werden? (b) Die Meere zu schützen und erhalten in Bezug auf Auswirkungen des Klimawandels, unter anderem Erwärmung der Ozeane, Anstieg des Meeresspiegels, und die Übersäuerung der Meere?” Das Tribunal trifft in seinem 153 Seiten langen Gutachten, bevor es sich der Beantwortung der von COSIS gestellten Rechtsfrage annimmt, Aussagen über den Hergang des Verfahrens, den naturwissenschaftlichen Hintergrund des Klimawandels sowie internationale Instrumente zur Bekämpfung des Klimawandels, die Gerichtsbarkeit, das anwendbare Recht und den Umfang der von COSIS gestellten Rechtsfrage. Bemerkenswert ist dabei, dass es auf wichtige Erkenntnisse des International Governmental Panel on Climate Change (IPCC) eingeht und ihnen damit Gewicht verleiht. [4] Es hebt hervor, dass die Meere eine der größten Kohlenstoffsenken darstellen, indem sie ca. ein Viertel des von menschlichen Aktivitäten verursachten CO 2 aufnehmen. [5] Zwar verlangsamen sie dadurch den Klimawandel („such carbon storage represents a major control on atmospheric carbon dioxide“), da sie das CO 2 aus der Atmosphäre ziehen. [6] Allerdings führt dies auch zu einer zunehmenden Zerstörung der Meere, etwa das Ansteigen des Meeresspiegels, die Erwärmung der Meere, marine Hitzewellen, Sauerstoffmangel der Ozeane und ihre Übersäuerung. Die wichtige Vorfrage, ob anthropogene Treibhausgasemissionen denn überhaupt unter den Begriff der Verschmutzung der Meere („ocean pollution“) i.S.d. Art. 1 Abs. 1 UAbs. 4 UNCLOS gefasst werden können (und damit der Anwendungsbereich der Artikel des zwölften Abschnitts des UNCLOS eröffnet ist) bejaht das Tribunal ausdrücklich. Es arbeitet heraus, dass dafür drei Voraussetzungen kumulativ vorliegen müssen: (1) es muss sich um einen Stoff oder Energie handeln, (2) dieser Stoff oder Energie muss infolge direkter oder indirekter menschlicher Einwirkung in die marine Umwelt gelangt sein und (3) er muss (zumindest mit überwiegender Wahrscheinlichkeit („likely“)) schädliche Auswirkungen haben. Die „streitgegenständlichen“ anthropogenen Treibhausgasemissionen erfüllen alle diese Voraussetzungen. Hinsichtlich der Frage (a), welche Pflichten sich in Bezug auf die Verhinderung der Meeresverschmutzung aus dem UNCLOS ergeben, ist das Tribunal der Meinung, dass Artikel 194 Abs. 1 UNCLOS die Unterzeichnerstaaten spezifisch dazu verpflichte, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die auf anthropogene Treibhausgasemissionen zurückzuführende Meeresverschmutzung zu verhindern, verringern und kontrollieren. [7] Es handele sich dabei um eine Sorgfaltspflicht, die von den Staaten verlangt, ein nationales System zur Regulierung umweltbelastender Tätigkeiten einzurichten und die Wirksamkeit dieses Systems zu überwachen. [8] Angesichts des hohen drohenden Risikos einer schwerwiegenden und irreversiblen Schädigung der Meeresumwelt durch anthropogene Treibhausgasemissionen sei dabei ein strenger Sorgfaltsmaßstab anzulegen, wobei jedoch das Prinzip der gemeinsamen, aber differenzierten Verantwortlichkeiten entsprechend der United Nations Framework Convention on Climate Change (UNFCCC) anzulegen ist. [9] Hinsichtlich der Frage (b), welche Pflichten bestehen, die Meere zu schützen und erhalten, stelle Artikel 192 UNCLOS eine allgemeine Verpflichtung zum Schutze und zur Erhaltung der Meere auf, was die Wiederherstellung von Meereslebensräumen und -ökosystemen einschließt. [10] Sichergestellt werden muss auch, dass nichtstaatliche Akteure, die der Hoheitsgewalt oder Kontrolle der Unterzeichnerstaaten unterstehen, diese Maßnahmen einhalten. [11] Bedeutung für die Zukunft Zwar ist diese advisory opinion anders als ein Urteil nicht rechtlich bindend. Dennoch leistet sie einen Beitrag zur Auslegung des Rechts. Ferner tragen diese Entscheidungen ein gewisses Gewicht an moralischer Autorität. Vor dem Hintergrund, dass vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) gerade ein vergleichbarer Antrag für den Erlass einer advisory opinion anhängig ist, ist besonders wichtig, dass vorliegende gezeigt hat, wie eine klare Argumentationslinie entwickelt werden kann. [12] [1] Umweltbundesamt, Das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen, Artikel vom 22.12.2014, abrufbar unter https://www.umweltbundesamt.de/themen/nachhaltigkeit-strategien-internationales/arktis/rechtlicher-institutioneller-rahmen-der-arktis/das-seerechtsuebereinkommen-der-vereinten-nationen#seerechtsubereinkommen-sru , zuletzt aufgerufen am 19.07.2024. [2] Abkommen über die Anwendung von Teil XI des Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen von 10. Dezember 1982. [3] United Nations Convention on the Law of the Sea. [4] S. 26 ff. der advisory opinion, abrufbar unter https://www.itlos.org/fileadmin/itlos/documents/cases/31/Advisory_Opinion/C31_Adv_Op_21.05.2024_orig.pdf . [5] S. 30 Rn. 55 der advisory opinion. [6] S. 29 Rn. 55 der adsivory opinion. [7] S. 147, 148 Rn. 441 der advisory opinion. [8] S. 148 Rn. 441 der advisory opinion. [9] S. 79 Rn. 218 der advisory opinion. [10] S. 151 Rn. 441 der advisory opinion. [11] S. 89 Rn. 247 der advisory opinion. [12] Rocha, A Small But Important Step – A Bird’s-Eye View of the ITLOS Advisory Opinion on Climate Change and International Law, Artikel vom 27. May 2024, abrufbar unter https://verfassungsblog.de/a-small-but-important-step/ , zuletzt abgerufen am 19.07.2024.
Bild_Vortrag_Verantwortungseigentum
von Yvonne Lüftner 13. Juni 2024
Am 13.05.2024 fand die Veranstaltung zum Thema „Verantwortungseigentum - Rechtsinstitut der Zukunft?“ mit der Leiterin der Unternehmensfinanzierung der Stiftung Verantwortungseigentum Elisabeth Pichler statt. Die Stiftung hat sich zum Ziel gesetzt, die politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, Unternehmen im Verantwortungseigentum zu vernetzen und Forschung zum Thema zu betreiben. Sie wurde von mehreren Unternehmen gegründet und getragen. Zunächst zeigte die Referentin die Struktur eines solchen Unternehmens im Vergleich zu einer klassischen GmbH auf. Verantwortungseigentum basiert auf den Prinzipien der Langfristigkeit und Unabhängigkeit von Unternehmen. Diese Rechtsform sieht vor, dass Gewinne reinvestiert oder für gemeinnützige Zwecke verwendet werden, anstatt an die Anteilseigner ausgeschüttet zu werden. Außerdem werden Stimmrechte und Eigentum getrennt, um sicherzustellen, dass die Unternehmensziele nicht durch kurzfristige Gewinnmaximierung gefährdet werden. Auch einige Beispiele aus der Praxis wurden vorgestellt. Unternehmen wie Zeiss, Bosch oder die Suchmaschine Ecosia sind bereits im Verantwortungseigentum. Der Vortrag beleuchtete die Vorteile und Chancen dieser neuen Rechtsform, die eine langfristige Orientierung und nachhaltige Unternehmensführung fördern soll. Die Chancen und Vorteile einer solchen Rechtsform seien vielfältig, so die Referentin. Durch die Trennung von Stimmrechten und Eigentum wird die Gefahr von Übernahmen und kurzfristigem Gewinnstreben minimiert, was zu mehr Stabilität und Unabhängigkeit führt. Unternehmen können sich stärker auf nachhaltige Innovationen und langfristige Investitionen konzentrieren. Der Vortrag endete mit einer gemeinsamen Erarbeitung und Diskussion, inwieweit eine solche neue Rechtsform Einfluss auf die Nachhaltigkeitsziele von Unternehmen hat. Dabei wurde zwischen ökonomischer und ökologischer Nachhaltigkeit unterschieden. Verantwortungseigentum bietet die Möglichkeit, Unternehmensgewinne beispielsweise für Investitionen in den Klimaschutz zu verwenden. Darüber hinaus kann es die soziale Nachhaltigkeit stärken, indem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aktiv in die Entscheidungsprozesse im Unternehmen eingebunden werden. Insgesamt bietet die neue Rechtsform eine vielversprechende Möglichkeit, Unternehmen nachhaltiger und sozial verantwortlicher zu gestalten. Sie fördert eine langfristige Perspektive, stabile Unternehmensstrukturen und kann einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der globalen Nachhaltigkeitsziele leisten. Die Referentin betonte, dass diese Struktur sowohl ökonomisch sinnvoll als auch gesellschaftlich wünschenswert sei, um zukunftsfähige und resiliente Unternehmen zu schaffen. Die Trennung von Kapital, insbesondere von Gewinnen und Stimmrechten, im Hinblick auf ökologische Nachhaltigkeit kann durch Innovationen und Investitionen der Unternehmen gefördert werden, letztlich bleibt es aber den Entscheidungen der Unternehmen und nicht der Rechtsform überlassen, inwieweit sie nachhaltig agieren wollen. Wir bedanken uns herzlich bei Elisabeth Pichler für den spannenden und aufschlussreichen Vortrag!
von Paula Schindler 10. März 2024
Im Wintersemester 2023/2024 haben wir bei RuN ein neues Format ausprobiert und uns an einem Grundlagenseminar beteiligt. It was a buzzing success! Das Grundlagenseminar war das öffentlich-rechtliche Seminar „To bee or not to bee! Der Schutz der Bienen im Recht“ von Frau Prof. Dr. Birgit Schmidt am Busch, LL.M. (Iowa). Im Vorfeld haben wir Frau Prof. Schmidt am Busch bei der Themensuche unterstützt und das Interesse am Seminar war so groß, dass trotz der 15 Plätze noch Studierende leer ausgegangen sind. Wir von RuN haben zu dem Seminar drei Praxistermine organisiert, um den Studierenden einen Einblick in die Praxis zu geben und das Erlernte dort live vor Ort zu sehen. Diese Termine waren nur für Seminarteilnehmende und die Vereinsmitglieder von RuN zugänglich. Der erste Termin war bei der Fachberatung für Imkerei des Bezirks Oberbayern, der zweite Termin beim Referat für Klima- und Umweltschutz der Stadt München und der dritte Termin bei der Europäischen Kommission. 1. Termin: Fachberatung für Imkerei des Bezirks Oberbayern  Beim Bezirk von Oberbayern wurden uns zunächst Aufgaben und Arbeitsweise des Bezirks Oberbayern genauer vorgestellt. Selbst wer fit im Kommunalrecht ist, konnte hier noch einiges dazulernen. Der Bezirk hat kulturelle und wirtschaftliche Aufgaben, zentrale Aufgabe ist aber Soziales, da der Bezirk der Sozialhilfeträger für pflegebedürftige Menschen und Menschen mit Behinderung ist. Im alle fünf Jahre gewählten Bezirkstag sitzen häufig Personen, die gleichzeitig Gemeinderatsmitglieder oder Bürgermeister:innen sind. Diese kommunale Verschränkung ist vor allem für die Entscheidung über die Finanzierung der Bezirksaufgaben von Vorteil. Der Bezirk zieht von den Landkreisen und kreisfreien Städte zur Finanzierung seiner Aufgaben die sog. Bezirksumlage Ein. Diese wiederum erheben von den kreisangehörigen Gemeinden die Kreisumlage. Sodann hat uns der Leiter der Fachberatung für Imkerei auf spannende und unterhaltsame Weise von seiner Arbeit erzählt. Ursprünglich waren Fachberater für die Ernährungslage und die Lebensmittelsicherheit wichtig, da die Imkerei Teil der Landwirtschaft ist. So zählt die Honigbiene neben Schwein und Rind zu den drei wichtigsten Nutztieren und hat insbesondere in Bayern eine hohe Priorität. Zu den wesentlichen Aufgaben der Fachberatung für Imkerei zählen heute Schulungen und Weiterbildungen, sowie Beratungen und auch Begutachtungen z.B. im Baurecht zu Imkereigebäuden im Außenbereich. Die Fachberatung für Imkerei hat an verschiedenen Stellen Berührungspunkte zu rechtlichen Regelungswerken, so z.B. zum Animal Health Law, den §§ 201, 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB, § 13a EstG, der HonigV und LebensmittelhygieneVO, dem ZuVLFG oder auch dem BNatSchG. 2. Termin: Klima- und Umweltreferat der Stadt München sowie Untere Naturschutzbehörde Beim Referat für Klima- und Umweltschutz der Stadt München wurden uns sowohl die Arbeit des Geschäftsbereich III, Naturschutz und Biodiversität und im speziellen die des Sachgebiets der Unteren Naturschutzbehörde als auch die Arbeit der Stabsstelle Recht vorgestellt. Das Referat für Klima- und Umweltschutz gibt es in der jetzigen Form erst seit dem 1.1.2021. Davor gab es ein großes Referat für Gesundheit und Umwelt. An dieser Ausgliederung des Klima- und Umweltschutzes und der Neugründung eines eigenen Referats erkennt man auch, dass dieses Thema zunehmend politisch priorisiert wird. Die Stadt München hat in dieser Hinsicht auch Vorbildfunktion für andere Städte. Die Stabsstelle Recht des Referates für Klima- und Umweltschutz berät die einzelnen Geschäftsbereiche, gestaltet Satzungen, Verträge und Förderprogramme und vertritt die Landeshauptstadt München auch in Gerichtsverfahren. Die untere Naturschutzbehörde war früher dem Referat für Stadtplanung und Bauordnung zugeordnet und gehört erst seit dem 1.2.2022 zum Referat für Klima- und Umweltschutz. Sie ist mit dem Vollzug des „klassischen“ Naturschutzrechts auf Bundes- und Landesebene befasst. Darüber hinaus wird im Bereich des Artenschutzes auch international geltendes Recht vollzogen. Zu den einzelnen Aufgaben gehören u.a. der Vollzug der Vorschriften zum allgemeinen und besonderen Artenschutz (wie z.B. die Beschränkung des Handels mit Elfenbein und geschützten Tierarten), der Vollzug naturschutzrechtlicher Verordnungen (z.B. Landschaftsschutzgebiets- Naturschutzgebietes- und Naturdenkmalverordnungen) oder die Ausweisung von Schutzgebieten im Rahmen naturschutzrechtlicher Inschutznahmeverfahren. Insbesondere wurde uns auch die Arbeit als Jurist:in bei der Stadt München als vielseitig und attraktiv ans Herz gelegt, da man in vielen verschiedenen Bereichen arbeiten kann und mit vielen Fachgebieten im Austausch steht. 3. Termin: Generaldirektion Umwelt der Europäischen Kommission Im Rahmen eines Zoom-Termins hatten wir die Gelegenheit mit einem Biologen der Generaldirektion für Umwelt der Europäischen Kommission zu sprechen, der an vielen Initiativen im Bereich Biodiversität mitgearbeitet hat. Die EU-Kommission hat das alleinige Initiativrecht für Gesetzgebungsverfahren der EU. Diese Initiativen werden von Wissenschaftler:innen detailliert und fundiert ausgearbeitet. Die EU befasst sich mit dem Thema Biodiversität, mit besonderem Augenmerk auf Bestäuber, da im Schnitt um die 20 bis 30% an deren Artenvielfalt pro Jahrzehnt verschwindet. So sind z.B. in Deutschland innerhalb der letzten 27 Jahre 75% der Biomasse der fliegenden Insekten in geschützten Gebieten verschwunden. Gerade Insekten sind von großer Bedeutung für Ökosysteme, da sie Pflanzen bestäuben und Nahrung für andere Tiere wie z.B. Vögel sind. Da Honigbienen aufgrund der Imkerei nicht gefährdet sind, beschäftigt sich die EU im Wesentlichen mit wilden Bestäubern. Im Rahmen des European Green Deal gibt es zwei besondere Strategien für Bestäuber, die Biodiversity Strategy for 2030 und die Farm to Fork Strategy. Diese sind sog. Soft Law, haben also keinen rechtlich bindenden Charakter, sondern sind ein Plan für die Kommission selbst, um anhand daran einzelne Rechtsinitiativen auszuarbeiten. Im Rahmen der Biodiversity Strategy gibt es die Pollinator Initiative, die ebenfalls nicht rechtlich bindend ist, aber ebenso einen Aktionsplan mit einer Vielzahl gezielter Einzelaktionen für die Kommission enthält, um Bestäuber zu fördern und zu schützen. Begleitend zu diesem Aktionsplan erging zum Beispiel im Juni 2022 der Rechtsvorschlag für das Renaturierungsgesetz (Verordnung zur Wiederherstellung der Natur). Dieses ist nun in den letzten Zügen der Annahme durch Parlament und Rat und sieht eine rechtliche Verpflichtung für die Mitgliedstaaten vor, den Verlust der Bestäubervielfalt umzukehren. Aufgrund der Farm to Fork Strategy brachte die Kommission einen Verordnungsvorschlag zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln, die sog. SUR ein, der leider vom Parlament im November 2023 abgelehnt worden ist. Dieser Vorschlag hätte einen Indikator eingeführt, um Risiko und Verwendung von Pestiziden zu messen, der dann reduziert werden muss. Dies hätte auch eine deutlich verbesserte Datenlage mit sich gebracht. Filmvorführung „Ein Himmel voller Bienen“ Außerdem gab es im Zuge des Grundlagenseminars noch die öffentliche Filmvorführung „Ein Himmel voller Bienen“ der Regisseurin Vanessa Weber von Schmoller aus dem Jahr 2022 an der LMU Diese wurde organsiert durch das Studienbüro und Frau Prof. Schmidt am Busch. Der Film reflektiert unter Anderem das Volksbegehren „Rettet die Bienen“ und schafft es, trotz des ernsten Themas die Zuschauer:innen zu motivieren, sich für den Artenschutz einzusetzen. Ein herzliches Dankeschön! An dieser Stelle möchten wir uns noch einmal bedanken bei all den engagierten Menschen, die uns so bereitwillig über ihre Arbeit erzählt haben und die uns und den Seminarteilnehmenden Rede und Antwort gestanden sind!
von Philip Ermacora 21. Februar 2024
Was haben die Bauernproteste, Galeria Kaufhof und die Intel Chipfabrik in Magdeburg gemeinsam? Sie alle stehen in einem direkten Zusammenhang mit staatlichen Wirtschaftssubventionen. In den vergangenen Jahren ist das Subventionsvolumen von 37,9 Mrd. Euro (2021) auf 67,1 Mrd. Euro (2024) gestiegen und macht damit mittlerweile 15% des gesamten Staatshaushaltes aus. Was genau sind aber Subventionen und was macht sie politisch so attraktiv? Subventionen sind alle vermögenswerten Zuwendungen des Staates oder eines anderen Verwaltungsträgers an private (juristische oder natürliche) Personen ohne marktmäßige Gegenleistung zur Förderung eines im öffentlichen Interesse liegenden Zwecks (vgl. Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2020, § 17, S. 484 Rn. 5). Als Instrument der Leistungsverwaltung bedarf es als Rechtsgrundlage lediglich einer Ausweisung im Haushalt. Die vergleichsweise sehr geringen rechtlichen Anforderungen verbunden mit der enormen Steuerungskraft machen Subventionen zu einem beliebten politischen Steuerungsinstrument. Inzwischen haben 60% der Subventionen einen positiven Bezug zu den Nachhaltigkeitszielen. Das heißt aber im Umkehrschluss auch, dass 40% einen neutralen oder sogar negativen Bezug zu den Nachhaltigkeitszielen haben. Wie schaffen wir es, Subventionen ökologisch nachhaltiger zu gestalten? Bisweilen verfolgen Subventionen ein Primärziel (z.B. die Rettung eines Unternehmens) und ein Sekundärziel in Form der Änderung eines Unternehmerverhaltens (z.B. Erhaltung von Arbeitsplätzen). Ein Ansatz wäre es, Subventionen mit dem weiteren Ziel, ökologisch nachhaltiger zu handeln, zu verknüpfen. Auf den ersten Blick verstößt diese Koppelung gegen Grundprinzipien des Rechts. So ist ein Verbot der Kopplung mit sachfremden Erwägungen bei Nebenbestimmungen zu Verwaltungsakten (Art. 36 III BayVwVfG), öffentlich-rechtlichen Verträgen (Art. 56 I 2 BayVwVfG) sowie bei Ermessenserwägungen unstrittig anerkannt. Die Grundrechte des Unternehmers, der an den Konditionierungszeck gebunden ist, könnten verletzt sein. Ferner birgt die Kopplung die Gefahr des Missbrauchs. Ein Eingriff in die Grundrechte könnte indes dann gerechtfertigt werden, wenn etwa der Saldo zwischen den Kosten der Nachhaltigkeitsverpflichtung und der Subvention positiv wäre. Ferner kann der Missbrauchsgefahr vorgebeugt werden, indem die Verpflichtung an ein Verfassungsgut rückgekoppelt wird. Im Fall der ökologischen Nachhaltigkeit kann auf die Staatszielbestimmung des Art. 20a GG zurückgegriffen werden. Am problematischsten gestaltet sich die Kopplung mit „sachfremden“ Erwägungen. Eine solide Rechtsgrundlage stellte ein Subventionsgesetz dar. Ein solches sieht sich indes dem Vorwurf ausgesetzt, den politischen Handlungsspielraum stark einzuschränken und ist politisch schwer umsetzbar. Alternativ könnte die Ausschreibung der Mittel im Haushaltsplan um ökologische Nachhaltigkeitsziele verknüpft werden. Wird der Zweck der Subvention im Haushaltsplan um Nachhaltigkeitsziele erweitert werden, sodass eine Nachhaltigkeitsverpflichtung nicht sachfremd wäre. Auch sind ökologisch nachhaltig geprägte Verwaltungsvorschriften denkbar. Das wirkungsvolle Instrument der Konditionierung von Wirtschaftssubventionen könnte einen erheblichen Beitrag zur ökologisch nachhaltigen Entwicklung leisten.  Wir danken Malin Nischwitz für diese sehr interessanten Einblicke in ihre Promotion.
von Michael Benning 23. November 2023
Am 24.10.2023 haben wir von RuN das erste Mal eine Veranstaltung im Rahmen des alljährlichen Klimaherbstes ( https://klimaherbst.de/ ) organisiert. Dem diesjährigen Oberth ema „Klimagerechtigkeit“ haben wir uns sowohl rechtswissenschaftlich als auch praxis- bzw. unternehmensorientiert gewidmet. Für die Veran staltung konnten wir mit Prof. Dr. Rüdiger Veil von der LMU München, Nawid Chamani von Finbridge GmbH & Co.KG und Benedikt Hoffmann von Baker Tilly Perspektiven aus der Wissenschaft, der Unternehmens- sowie der anwaltlichen Beratung gewinnen. Die drei Referenten gaben dem Publikum im Münchner Zukunftssalon jeweils im Rahmen eines ca. 20-minütigen Vortrags einen eigenen Blick auf die – insbesondere europarechtliche – Gesetzgebung zu den unternehmerischen Anforderungen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung. Nachdem Prof. Veil die juristischen Grundlagen sowie die Besonderheiten der neusten EU-Regelungen darstellte und deren langfristige Erfolgschancen bei der aktuellen Rechts- und Kompetenzlage auslotete, zeigte Herr Chamani, welcher konkrete – und komplexe – Aufwand in den Unternehmen entsteht, um die Nachhaltigkeitsanforderungen aus Brüssel zu erfüllen. Herr Hoffmann legte den Fokus sodann auf die steuerrechtliche Perspektive, indem er insbesondere mögliche Auswirkungen verschiedener unternehmerischer Anreize, die wirtschaftspolitisch bestehen bzw. neu geschaffen werden, auf eine langfristig nachhaltige Unternehmensführung herausarbeitete. Der Höhepunkt des Abends war schließlich die gemeinsame Diskussion. Nicht nur wurde über sehr interessierte und qualifizierte Fragen und Impulse aus dem Publikum – durchaus auch kontrovers – debattiert, vielmehr konnten die drei Referenten auch untereinander neue Ansichten und Blickwinkel gewinnen, sich mithin wissenschaftlich sowie praxisnah austauschen. Nicht zuletzt die angenehme Atmosphäre im Münchner Zukunftssalon führte zu einer regen Beteiligung sowie einem sehr offenen und branchenübergreifenden (Streit-)Gespräch über das, was bereits passiert und insbesondere noch passieren sollte, um Klimakosten von Unternehmen in einer globalisierten Weltwirtschaft festzustellen, zu internalisieren und schließlich zu reduzieren. Wir bedanken uns sehr herzlich bei den Podiumsteilnehmenden, dem Verein Netzwerk Klimaherbst sowie dem Münchner Zukunft ssalon für die Ermöglichung dieser inspirierenden Veranstaltung.
von Patricia Nonnenmacher 15. August 2023
Workshop "Kann der Staat Klimaschutz?"
von Patricia Nonnenmacher 27. Juli 2023
Teamwochenende Juni 2023
von Patricia Nonnenmacher, Lena Kannenberg 23. Mai 2023
Beitrag von Patricia Nonnenmacher und Lena Kannenberg
von 183:920646281 28. April 2023
Am 25.04.2023 veranstalteten RuN und Rescriptum gemeinsam die Podiumsdiskussion „Rechtlicher Umgang mit Klimaaktivismus – Bilanz und Ausblick“. Im Zentrum standen die wissenschaftlichen Problematiken und die praktische Handhabung der Klimaproteste von Vereinigungen wie der „Letzten Generation“. 
von Christoph Horstmann 1. April 2023
Nachhaltigkeit und Prinzipien des Steuerrechts
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