Blog-Layout

Nachhaltigkeit und Prinzipien des Steuerrechts

Christoph Horstmann • 1. April 2023

Nachhaltigkeit und Prinzipien des Steuerrechts

Gastbeitrag unseres Referenten des Workshops "Steuerrecht und Nachhaltigkeit - Realität, Illusion oder bisher verpasste Chance" – Christoph Horstmann [1]


Setzt man sich mit der Frage auseinander, wie sich Nachhaltigkeit und Steuerrecht miteinander kombinieren lassen, lohnt ein Blick auf die tragenden steuerrechtlichen Prinzipien. Die Ausgangsfrage lautet, mit welchen prinzipiellen Anliegen des Steuerrechts eine stärkere Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten in Widerstreit tritt.


Dabei soll es weniger um Rechtsdogmatik, als um Rechtspolitik gehen. Im Folgenden soll nicht beleuchtet werden, was verfassungsrechtlich geboten ist, sondern an welchen Prinzipien sich der Steuergesetzgeber orientieren kann. Mit dem Begriff Prinzip sind hier politische Leitprinzipien gemeint, die der Steuergesetzgeber befolgen kann. Ob er es zwingend muss, ist eine andere Frage. Der verfassungsrechtliche Rahmen, in dem der Gesetzgeber Nachhaltigkeitsaspekte im Steuerrecht berücksichtigen kann, dürfte weit sein. Es obliegt in erster Linie dem demokratischen Gesetzgeber zu entscheiden, ob er sich punktuell oder umfassend für das Steuerrecht als ein mögliches Werkzeug zur Erreichung von Nachhaltigkeitszielen entscheidet oder für andere Wege, insbesondere regulatorische Verbote oder Subventionen.

Einleitend ist zunächst festzustellen, dass der Begriff „Nachhaltigkeit“ mehrdimensional ist. Nachhaltigkeit ist nach der mittlerweile gängigen, in weiteren Schritten ebenfalls stark konkretisierungsbedürftigen Definition der Überbegriff für ökologische, ökonomische und soziale Anliegen.[2] Entsprechend betrifft die Forderung nach einem Steuerrecht, dass Nachhaltigkeitsaspekte stärker berücksichtigt verschiedenste über den Klimaschutz hinausgehende Fragestellungen.


I.         Nachhaltigkeit und Leistungsfähigkeit


Klassisches und vorrangiges Ziel des Steuerrechts ist die staatliche Einnahmenerzielung (s. § 3 Abs. 1 AO). Mit dem Aspekt der Staatsfinanzierung treten nachhaltigkeitsbezogene Aspekte in Konflikt, sofern sie etwa Steuerrabatte für ein gewünschtes Verhalten bieten. Die Aufteilung der zur Staatsfinanzierung erforderlichen Steuern erfolgt zumindest für Ertragsteuern idealtypisch nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip. In überwiegenden Teilen der Steuerrechtswissenschaft wird es als das Fundamentalprinzip des Steuerrechts angesehen.[3] Die Gesamtsteuerlast soll nach der individuellen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auf die Steuerpflichtigen verteilt werden. Auf einer horizontalen Ebene sollen diejenigen Steuerpflichtigen mit gleicher wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit die gleiche Steuerlast tragen. Dies soll sich etwa im Abzug von Aufwendungen, die dazu dienen Erträge zu erzielen nach dem sog. objektiven Nettoprinzip äußern. Auf einer vertikalen Ebene sollen unterschiedlich Leistungsfähige eine unterschiedliche Steuerlast tragen. Dies kann, muss sich aber nicht im Einkommensteuertarif äußern.[4]


Die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten durch eine Modifikation der zuzuteilenden Steuerlast tritt dazu in Widerspruch. Das bedeutet allerdings nicht, dass entsprechende Regelungen dem Gesetzgeber verfassungsrechtlich versagt sind. Vielmehr müssen die Abweichungen von der gleichheitsgerechten Verteilung der Steuerlast jeweils gerechtfertigt sein.[5]


Der Widerspruch zwischen Leistungsfähigkeit und Nachhaltigkeit lässt sich am Beispiel der Absetzungen für Abnutzung (AfA) diskutieren: Die Vorschriften zur AfA, kurz, in §§ 6 ff. EStG dienen in ihrem Grundkonzept dazu, die Leistungsfähigkeit von Steuerpflichtigen periodengerecht zu berücksichtigen.[6] Die Aufwendungen für Wirtschaftsgüter wären im Jahr ihrer Anschaffung abziehbar. Durch die AfA-Vorschriften wird der Aufwand für bestimmte höherwertige Wirtschaftsgüter auf mehrere Jahre verteilt. Die Leistungsfähigkeit eines Steuerpflichtigen wird nicht im Jahr einer großen Anschaffung um den gesamten Betrag gemindert, sondern kontinuierlich über die Nutzungsdauer des Wirtschaftsgutes. Dadurch entsteht ein Anreiz, vollständig abgeschriebene Wirtschaftsgüter nachzubeschaffen.


Aus gesetzgeberischer Perspektive lässt sich dies nutzen. So wurde etwa im Zuge der Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie zeitlich begrenzt die Möglichkeit zur degressiven Abschreibung[7] wiedereingeführt (§ 7 Abs. 2 EStG n.F.). Dadurch entsteht ein Anreiz für zeitnahe Neuanschaffungen. Eine Möglichkeit für nachhaltigkeitsbezogene Anreize würde hier etwa in attraktiven Abschreibungsmöglichkeiten für bestimmte nachhaltige Anschaffungen liegen. Dabei würde es dem Gesetzgeber obliegen, eine Auswahlentscheidung zu treffen. Die entstehenden Anreize würden nicht einer Bemessung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit entsprechen. Ungleichbehandlungen können aber mit dem Ziel nachhaltigen Wirtschaftens gerechtfertigt werden.


II.        Sozialzweck und Äquivalenzprinzip


Im Widerstreit zum Leistungsfähigkeitsprinzip treten insbesondere Vorschriften, die äquivalenztheoretisch fundiert sind. Dem Äquivalenzprinzip folgen Normen, die an eine Gegenleistung anknüpfen. Das können einzelne Vorschriften oder Einzelsteuergesetze sein, die zu einer Abschöpfung nachhaltigkeitsschädlich erlangter Vorteile führen sollen. Sie haben nicht eine Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit zum Ziel, sondern versuchen beitrags- oder gebührenähnlich einen bestimmten Nutzen abzugelten. Das geltende Ertragsteuerrecht berücksichtigt aber – in begrenzten Umfang – auch soziale Aspekte. Angesprochen ist damit das Sozialstaatsprinzip im Steuerrecht. So hat der progressive Einkommensteuertarif eine umverteilende Wirkung. Insofern besteht ein teilweiser Gleichlauf mit der sozialen Dimension des Begriffs „Nachhaltigkeit“. Eine Umgestaltung in Richtung eines stärker äquivalenztheoretisch orientierten Steuerrechts würde die soziale Komponente der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit in gewisser Weise aushöhlen.

Auch im Zusammenwirken mit anderen Gesetzesmaterien kann das Steuerrecht eine Rolle spielen, wenn es etwa zur Vertiefung bestimmter Ziele oder zur Verfolgung neuer Effekte eingesetzt wird. Das betrifft beispielsweise Fälle, in denen eine nicht steuerrechtliche Lenkungsvorschrift, etwa durch ein Abzugsverbot vertieft wird. Als Mittel zur Herstellung sozialer Gerechtigkeit wurde das Steuerrecht in letzter Zeit häufiger bei der Gewährung von Sozialleistungen eingesetzt. So wurden etwa die Energiepreispauschale und die „Dezember“-Hilfen besteuert, um durch das Eingreifen des Einkommensteuertarifs eine „soziale Ausgewogenheit der Entlastungen“ herzustellen.[8] Denkbar wäre in diesem Kontext beispielsweise ein aus Einnahmen einer CO2-Abgabe ausgeschüttetes Klimageld der Besteuerung zu unterwerfen.


III.       Komplexitätssteigerung


Jede Norm, die von der reinen Einnahmenerzielungsabsicht abweicht, führt zu einer Erhöhung des Komplexitätsgrads des Steuerrechts. Die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten kann damit der „Einfachheit des Steuerrechts“ widersprechen. Diese wird auch als eine Dimension von Steuergerechtigkeit interpretiert.[9]

Ergebnis sind nicht nur längere Normtexte und eine Flut von Rechtsprechung, Verwaltungsanweisungen und Literatur zu entstehenden Unklarheiten, sondern auch zusätzliche Deklarationspflichten. Eine Komplexitätsüberfrachtung hat zur Folge, dass die resultierenden Effekte nicht mehr eingängig nachvollziehbar sind.

Die Idealvorstellungen von einem „unpolitischen“, das bedeutet frei von anderen als auf die staatliche Einnahmenerzielung abzielenden Normen, Steuerrecht ist allerdings nicht gesetzgeberische Realität. Das Steuerrecht ist für den Gesetzgeber de facto ein wirkungsvolles Werkzeug für Subventionen und soziale Zwecke. Es spricht im Verhältnis dazu nichts dagegen, neben diesen Aspekten auch Nachhaltigkeitsziele stärker zu berücksichtigen.


IV.       Nachhaltiges Steuerrecht


Diskutieren lässt sich nicht nur über die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten im Steuerrecht, etwa durch Lenkungssteuern, sondern auch über nachhaltiges Steuerrecht. Solide und planbare Staatseinnahmen sind unerlässliche Voraussetzung für das staatlich organisierte Gemeinwohl. Auch darin liegt für sich ein Nachhaltigkeitsbezug. Betroffen sind auch Themen wie die Verteilung der Steuereinnahmen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Klamme Kommunen können schwerlich nachhaltig, also weder ökologisch noch sozial gerecht, wirtschaften. Gleiches gilt für die internationale Zuweisung von Besteuerungsrechten. Auch sie lässt sich unter einem Nachhaltigkeitsaspekt diskutieren.

In der umgekehrten Denkrichtung erschweren es häufige Steuerrechtsänderungen und ausufernde Berichtspflichten den Unternehmen ökonomisch nachhaltig zu wirtschaften. Nachhaltigkeit ist also nicht nur ein Auftrag im Steuerrecht sondern auch an das Steuerrecht.


V.        Fazit


Punktuell kann das Steuerrecht ein wirksames Werkzeug zur Verfolgung von Nachhaltigkeitszielen sein. Ein erster Schritt sollte sein, Regelungen abzuschaffen, die offen etwa umweltschädliches Verhalten fördern. Darüber hinaus erfordert die Diskussion von Nachhaltigkeitsaspekten im Steuerrecht eine gewisse Detailtiefe und Differenzierung. Zusätzlich sollte berücksichtigen werden, dass die Herstellung von Nachhaltigkeit allenfalls ein sekundäres Ziel des Steuerrechts sein. Primäres Ziel des Rechtsgebietes bleibt immer die Einnahmenerzielung. Je stärker das Steuerrecht weitere Ziele erfüllen soll, desto weiter entfernt es sich zudem von der Idealvorstellung eines einfachen und aus der Warte des Leistungsfähigkeitsprinzips gerechten Steuerrechts.


[1] Der Beitrag ist eine angepasste Fassung des Impulsvortrags im Rahmen des RuN-Workshops „Nachhaltigkeit und Steuerrecht - Illusion, Realität oder bisher verpasste Chance?“ am 10.2.2023. Er versteht sich entsprechend als Anregung zum Diskutieren und Weitedenken, nicht als vollständige akademische Abhandlung.

[2] Umfassender zum Begriffsverständis z.B. Greil/Kockrow, ifst-Schrift 547, S. 5 ff, insb. auch mit Betonung generationenübergreifender Belange.

[3] Hier nur Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, 24. Aufl. 2020, Rz. 3.40: „Tradiertes Fundamentalprinzip der Steuergerechtigkeit“.

[4] Auf die Probleme des Leistungsfähigkeitsprinzips, insbesondere seine verfassungsrechtliche Fundierung und sein konkreter Aussagegehalt soll hier nicht weiter eingegangen werden.

[5] Näher zum Verhältnis von Leistungsfähigkeitsprinzip und Nachhaltigkeit: Horstmann, IStR 2022, 349.

[6] S. etwa Oellerich in BeckOK EStG, § 6 Rz. 2 (14. Edition 1.7.2022).

[7] Bei der degressiven AfA wird mit einem gleichbleibenden Prozentsatz abgeschrieben. Im Ergebnis wird dadurch der absolute Abschreibungsbetrag in jedem fortschreitenden Jahr geringer. Üblicherweise findet die AfA mit gleichbleibenden Abschreibungsbeträgen, d.h. linear statt.

[8] Dazu Horstmann, DStR 2023, 481.

[9] Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, 24. Aufl. 2020, Rz. 7.84: „Breite Einigkeit besteht hinsichtlich der Forderung, das Einkommensteuerrecht von Sozialzwecknormen und Steuerprivilegien zu säubern und freizuhalten.“



Vielen herzlichen Dank von Seiten des RuN-Teams für diesen inspirierenden Beitrag!

von Camilla Seemann & Yvonne Lüftner 21. Juli 2024
Einleitung Der Internationale Seegerichtshof (International Tribunal of the Law of the Sea - ITLOS) in Hamburg hat durch ein wegweisendes Gutachten den globalen Klimaschutz bekräftigt und ein kraftvolles Signal für eine nachhaltige Zukunft gesendet! In der am 21. Mai 2024 verkündeten und veröffentlichten sog. advisory opinion stellte das Gericht fest, dass der vom Menschen verursachte Ausstoß von Treibhausgasen zur Erwärmung von Erde und Meeren beiträgt und somit eine Verschmutzung der Meeresumwelt gemäß dem UN-Seerechtsübereinkommen darstellt. Gestellt wurde der Antrag auf das Rechtsgutachten von der Commission of Small Island States on Climate Change and International Law (COSIS) am 12. Dezember 2022. Sie wurde 2021 mit dem Zweck gegründet, die existentielle Gefahr zu bekämpfen, die kleinen Inselstaaten im Lichte des Klimawandels naturgemäß anhaftet. Unterzeichnerstaaten des zugrundeliegenden Übereinkommens sind insb. die kleinen pazifischen Inseln. Im Folgenden wird zunächst das UN-Seerechtsübereinkommen mit besonderem Blick auf den Meeresschutz dargestellt. Sodann wird die Entscheidung des ITLOS im konkreten Fall näher dargestellt. Der Beitrag schließt mit einem kleinen Ausblick auf die Folgen des Gutachtens ab. Das UN-Seerechtsübereinkommen Das 1982 verabschiedete UN-Seerechtsübereinkommen (United Nations Convention of the Law of the Sea - UNCLOS) bildet den rechtlichen Rahmen für die Nutzung der Meere und Ozeane weltweit. Es wurde von mehr als 160 Staaten unterzeichnet, darunter von allen großen Industriestaaten und den fünf Anrainerstaaten der Arktis - mit Ausnahme der USA. [1] Das Abkommen definiert Seegrenzen, Küsten- und Schifffahrtsrechte, Zuständigkeiten im Bereich der Meeresforschung, des Technologietransfers, des Tiefseebergbaus sowie der Streitbeilegung. Es fördert die nachhaltige Nutzung der Meere, den Schutz der Meeresumwelt sowie die internationale Zusammenarbeit in maritimen Angelegenheiten. Zudem gewährleistet es eine sichere und freie Schifffahrt weltweit. [2] Insbesondere im Kontext des Klima- und Umweltschutzes kommt dem Übereinkommen eine wesentliche Bedeutung zu. Das Übereinkommen verpflichtet die Vertragsstaaten unter anderem dazu, die Meeresumwelt zu schützen und zu erhalten. Dies umfasst Maßnahmen zur Verhinderung, Verringerung und Kontrolle der Verschmutzung der Meere durch Aktivitäten wie Schifffahrt, Öl- und Gasförderung sowie Landentsorgung. [3] Des Weiteren wird im Übereinkommen die Notwendigkeit internationaler Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des Klimawandels und seiner Auswirkungen auf die Ozeane betont, wobei insbesondere der Anstieg des Meeresspiegels und die Übersäuerung der Meere zu nennen sind. Durch diese Bestimmungen leistet das UNCLOS einen wesentlichen Beitrag zur nachhaltigen Nutzung und Bewahrung der marinen Ökosysteme. Inhalt der Entscheidung Die Frage an deren Beantwortung das ITLOS für eine Dauer von fast eineinhalb Jahren arbeitete lautet: “Was sind die besonderen Verpflichtungen der Vertragsstaaten des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen (United Nations Convention of the Law of the Sea, UNCLOS), unter anderem nach Teil XII: (a) Die Verschmutzung der Meere zu verhindern, zu verringern und zu kontrollieren vor dem Hintergrund der schädlichen Auswirkungen, die sich aus dem Klimawandel ergeben oder wahrscheinlich ergeben werden, unter anderem durch die Erwärmung der Ozeane, den Anstieg des Meeresspiegels, und die Übersäuerung der Meere, die durch anthropogene Treibhausgasemissionen in die Atmosphäre verursacht werden? (b) Die Meere zu schützen und erhalten in Bezug auf Auswirkungen des Klimawandels, unter anderem Erwärmung der Ozeane, Anstieg des Meeresspiegels, und die Übersäuerung der Meere?” Das Tribunal trifft in seinem 153 Seiten langen Gutachten, bevor es sich der Beantwortung der von COSIS gestellten Rechtsfrage annimmt, Aussagen über den Hergang des Verfahrens, den naturwissenschaftlichen Hintergrund des Klimawandels sowie internationale Instrumente zur Bekämpfung des Klimawandels, die Gerichtsbarkeit, das anwendbare Recht und den Umfang der von COSIS gestellten Rechtsfrage. Bemerkenswert ist dabei, dass es auf wichtige Erkenntnisse des International Governmental Panel on Climate Change (IPCC) eingeht und ihnen damit Gewicht verleiht. [4] Es hebt hervor, dass die Meere eine der größten Kohlenstoffsenken darstellen, indem sie ca. ein Viertel des von menschlichen Aktivitäten verursachten CO 2 aufnehmen. [5] Zwar verlangsamen sie dadurch den Klimawandel („such carbon storage represents a major control on atmospheric carbon dioxide“), da sie das CO 2 aus der Atmosphäre ziehen. [6] Allerdings führt dies auch zu einer zunehmenden Zerstörung der Meere, etwa das Ansteigen des Meeresspiegels, die Erwärmung der Meere, marine Hitzewellen, Sauerstoffmangel der Ozeane und ihre Übersäuerung. Die wichtige Vorfrage, ob anthropogene Treibhausgasemissionen denn überhaupt unter den Begriff der Verschmutzung der Meere („ocean pollution“) i.S.d. Art. 1 Abs. 1 UAbs. 4 UNCLOS gefasst werden können (und damit der Anwendungsbereich der Artikel des zwölften Abschnitts des UNCLOS eröffnet ist) bejaht das Tribunal ausdrücklich. Es arbeitet heraus, dass dafür drei Voraussetzungen kumulativ vorliegen müssen: (1) es muss sich um einen Stoff oder Energie handeln, (2) dieser Stoff oder Energie muss infolge direkter oder indirekter menschlicher Einwirkung in die marine Umwelt gelangt sein und (3) er muss (zumindest mit überwiegender Wahrscheinlichkeit („likely“)) schädliche Auswirkungen haben. Die „streitgegenständlichen“ anthropogenen Treibhausgasemissionen erfüllen alle diese Voraussetzungen. Hinsichtlich der Frage (a), welche Pflichten sich in Bezug auf die Verhinderung der Meeresverschmutzung aus dem UNCLOS ergeben, ist das Tribunal der Meinung, dass Artikel 194 Abs. 1 UNCLOS die Unterzeichnerstaaten spezifisch dazu verpflichte, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die auf anthropogene Treibhausgasemissionen zurückzuführende Meeresverschmutzung zu verhindern, verringern und kontrollieren. [7] Es handele sich dabei um eine Sorgfaltspflicht, die von den Staaten verlangt, ein nationales System zur Regulierung umweltbelastender Tätigkeiten einzurichten und die Wirksamkeit dieses Systems zu überwachen. [8] Angesichts des hohen drohenden Risikos einer schwerwiegenden und irreversiblen Schädigung der Meeresumwelt durch anthropogene Treibhausgasemissionen sei dabei ein strenger Sorgfaltsmaßstab anzulegen, wobei jedoch das Prinzip der gemeinsamen, aber differenzierten Verantwortlichkeiten entsprechend der United Nations Framework Convention on Climate Change (UNFCCC) anzulegen ist. [9] Hinsichtlich der Frage (b), welche Pflichten bestehen, die Meere zu schützen und erhalten, stelle Artikel 192 UNCLOS eine allgemeine Verpflichtung zum Schutze und zur Erhaltung der Meere auf, was die Wiederherstellung von Meereslebensräumen und -ökosystemen einschließt. [10] Sichergestellt werden muss auch, dass nichtstaatliche Akteure, die der Hoheitsgewalt oder Kontrolle der Unterzeichnerstaaten unterstehen, diese Maßnahmen einhalten. [11] Bedeutung für die Zukunft Zwar ist diese advisory opinion anders als ein Urteil nicht rechtlich bindend. Dennoch leistet sie einen Beitrag zur Auslegung des Rechts. Ferner tragen diese Entscheidungen ein gewisses Gewicht an moralischer Autorität. Vor dem Hintergrund, dass vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) gerade ein vergleichbarer Antrag für den Erlass einer advisory opinion anhängig ist, ist besonders wichtig, dass vorliegende gezeigt hat, wie eine klare Argumentationslinie entwickelt werden kann. [12] [1] Umweltbundesamt, Das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen, Artikel vom 22.12.2014, abrufbar unter https://www.umweltbundesamt.de/themen/nachhaltigkeit-strategien-internationales/arktis/rechtlicher-institutioneller-rahmen-der-arktis/das-seerechtsuebereinkommen-der-vereinten-nationen#seerechtsubereinkommen-sru , zuletzt aufgerufen am 19.07.2024. [2] Abkommen über die Anwendung von Teil XI des Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen von 10. Dezember 1982. [3] United Nations Convention on the Law of the Sea. [4] S. 26 ff. der advisory opinion, abrufbar unter https://www.itlos.org/fileadmin/itlos/documents/cases/31/Advisory_Opinion/C31_Adv_Op_21.05.2024_orig.pdf . [5] S. 30 Rn. 55 der advisory opinion. [6] S. 29 Rn. 55 der adsivory opinion. [7] S. 147, 148 Rn. 441 der advisory opinion. [8] S. 148 Rn. 441 der advisory opinion. [9] S. 79 Rn. 218 der advisory opinion. [10] S. 151 Rn. 441 der advisory opinion. [11] S. 89 Rn. 247 der advisory opinion. [12] Rocha, A Small But Important Step – A Bird’s-Eye View of the ITLOS Advisory Opinion on Climate Change and International Law, Artikel vom 27. May 2024, abrufbar unter https://verfassungsblog.de/a-small-but-important-step/ , zuletzt abgerufen am 19.07.2024.
Bild_Vortrag_Verantwortungseigentum
von Yvonne Lüftner 13. Juni 2024
Am 13.05.2024 fand die Veranstaltung zum Thema „Verantwortungseigentum - Rechtsinstitut der Zukunft?“ mit der Leiterin der Unternehmensfinanzierung der Stiftung Verantwortungseigentum Elisabeth Pichler statt. Die Stiftung hat sich zum Ziel gesetzt, die politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, Unternehmen im Verantwortungseigentum zu vernetzen und Forschung zum Thema zu betreiben. Sie wurde von mehreren Unternehmen gegründet und getragen. Zunächst zeigte die Referentin die Struktur eines solchen Unternehmens im Vergleich zu einer klassischen GmbH auf. Verantwortungseigentum basiert auf den Prinzipien der Langfristigkeit und Unabhängigkeit von Unternehmen. Diese Rechtsform sieht vor, dass Gewinne reinvestiert oder für gemeinnützige Zwecke verwendet werden, anstatt an die Anteilseigner ausgeschüttet zu werden. Außerdem werden Stimmrechte und Eigentum getrennt, um sicherzustellen, dass die Unternehmensziele nicht durch kurzfristige Gewinnmaximierung gefährdet werden. Auch einige Beispiele aus der Praxis wurden vorgestellt. Unternehmen wie Zeiss, Bosch oder die Suchmaschine Ecosia sind bereits im Verantwortungseigentum. Der Vortrag beleuchtete die Vorteile und Chancen dieser neuen Rechtsform, die eine langfristige Orientierung und nachhaltige Unternehmensführung fördern soll. Die Chancen und Vorteile einer solchen Rechtsform seien vielfältig, so die Referentin. Durch die Trennung von Stimmrechten und Eigentum wird die Gefahr von Übernahmen und kurzfristigem Gewinnstreben minimiert, was zu mehr Stabilität und Unabhängigkeit führt. Unternehmen können sich stärker auf nachhaltige Innovationen und langfristige Investitionen konzentrieren. Der Vortrag endete mit einer gemeinsamen Erarbeitung und Diskussion, inwieweit eine solche neue Rechtsform Einfluss auf die Nachhaltigkeitsziele von Unternehmen hat. Dabei wurde zwischen ökonomischer und ökologischer Nachhaltigkeit unterschieden. Verantwortungseigentum bietet die Möglichkeit, Unternehmensgewinne beispielsweise für Investitionen in den Klimaschutz zu verwenden. Darüber hinaus kann es die soziale Nachhaltigkeit stärken, indem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aktiv in die Entscheidungsprozesse im Unternehmen eingebunden werden. Insgesamt bietet die neue Rechtsform eine vielversprechende Möglichkeit, Unternehmen nachhaltiger und sozial verantwortlicher zu gestalten. Sie fördert eine langfristige Perspektive, stabile Unternehmensstrukturen und kann einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der globalen Nachhaltigkeitsziele leisten. Die Referentin betonte, dass diese Struktur sowohl ökonomisch sinnvoll als auch gesellschaftlich wünschenswert sei, um zukunftsfähige und resiliente Unternehmen zu schaffen. Die Trennung von Kapital, insbesondere von Gewinnen und Stimmrechten, im Hinblick auf ökologische Nachhaltigkeit kann durch Innovationen und Investitionen der Unternehmen gefördert werden, letztlich bleibt es aber den Entscheidungen der Unternehmen und nicht der Rechtsform überlassen, inwieweit sie nachhaltig agieren wollen. Wir bedanken uns herzlich bei Elisabeth Pichler für den spannenden und aufschlussreichen Vortrag!
von Hannes Radinger 23. Mai 2024
Der Jubel war groß nach der lang erwarteten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) im Verfahren Verein KlimaSeniorinnen Schweiz and Others v. Switzerland.
von Paula Schindler 10. März 2024
Im Wintersemester 2023/2024 haben wir bei RuN ein neues Format ausprobiert und uns an einem Grundlagenseminar beteiligt. It was a buzzing success! Das Grundlagenseminar war das öffentlich-rechtliche Seminar „To bee or not to bee! Der Schutz der Bienen im Recht“ von Frau Prof. Dr. Birgit Schmidt am Busch, LL.M. (Iowa). Im Vorfeld haben wir Frau Prof. Schmidt am Busch bei der Themensuche unterstützt und das Interesse am Seminar war so groß, dass trotz der 15 Plätze noch Studierende leer ausgegangen sind. Wir von RuN haben zu dem Seminar drei Praxistermine organisiert, um den Studierenden einen Einblick in die Praxis zu geben und das Erlernte dort live vor Ort zu sehen. Diese Termine waren nur für Seminarteilnehmende und die Vereinsmitglieder von RuN zugänglich. Der erste Termin war bei der Fachberatung für Imkerei des Bezirks Oberbayern, der zweite Termin beim Referat für Klima- und Umweltschutz der Stadt München und der dritte Termin bei der Europäischen Kommission. 1. Termin: Fachberatung für Imkerei des Bezirks Oberbayern  Beim Bezirk von Oberbayern wurden uns zunächst Aufgaben und Arbeitsweise des Bezirks Oberbayern genauer vorgestellt. Selbst wer fit im Kommunalrecht ist, konnte hier noch einiges dazulernen. Der Bezirk hat kulturelle und wirtschaftliche Aufgaben, zentrale Aufgabe ist aber Soziales, da der Bezirk der Sozialhilfeträger für pflegebedürftige Menschen und Menschen mit Behinderung ist. Im alle fünf Jahre gewählten Bezirkstag sitzen häufig Personen, die gleichzeitig Gemeinderatsmitglieder oder Bürgermeister:innen sind. Diese kommunale Verschränkung ist vor allem für die Entscheidung über die Finanzierung der Bezirksaufgaben von Vorteil. Der Bezirk zieht von den Landkreisen und kreisfreien Städte zur Finanzierung seiner Aufgaben die sog. Bezirksumlage Ein. Diese wiederum erheben von den kreisangehörigen Gemeinden die Kreisumlage. Sodann hat uns der Leiter der Fachberatung für Imkerei auf spannende und unterhaltsame Weise von seiner Arbeit erzählt. Ursprünglich waren Fachberater für die Ernährungslage und die Lebensmittelsicherheit wichtig, da die Imkerei Teil der Landwirtschaft ist. So zählt die Honigbiene neben Schwein und Rind zu den drei wichtigsten Nutztieren und hat insbesondere in Bayern eine hohe Priorität. Zu den wesentlichen Aufgaben der Fachberatung für Imkerei zählen heute Schulungen und Weiterbildungen, sowie Beratungen und auch Begutachtungen z.B. im Baurecht zu Imkereigebäuden im Außenbereich. Die Fachberatung für Imkerei hat an verschiedenen Stellen Berührungspunkte zu rechtlichen Regelungswerken, so z.B. zum Animal Health Law, den §§ 201, 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB, § 13a EstG, der HonigV und LebensmittelhygieneVO, dem ZuVLFG oder auch dem BNatSchG. 2. Termin: Klima- und Umweltreferat der Stadt München sowie Untere Naturschutzbehörde Beim Referat für Klima- und Umweltschutz der Stadt München wurden uns sowohl die Arbeit des Geschäftsbereich III, Naturschutz und Biodiversität und im speziellen die des Sachgebiets der Unteren Naturschutzbehörde als auch die Arbeit der Stabsstelle Recht vorgestellt. Das Referat für Klima- und Umweltschutz gibt es in der jetzigen Form erst seit dem 1.1.2021. Davor gab es ein großes Referat für Gesundheit und Umwelt. An dieser Ausgliederung des Klima- und Umweltschutzes und der Neugründung eines eigenen Referats erkennt man auch, dass dieses Thema zunehmend politisch priorisiert wird. Die Stadt München hat in dieser Hinsicht auch Vorbildfunktion für andere Städte. Die Stabsstelle Recht des Referates für Klima- und Umweltschutz berät die einzelnen Geschäftsbereiche, gestaltet Satzungen, Verträge und Förderprogramme und vertritt die Landeshauptstadt München auch in Gerichtsverfahren. Die untere Naturschutzbehörde war früher dem Referat für Stadtplanung und Bauordnung zugeordnet und gehört erst seit dem 1.2.2022 zum Referat für Klima- und Umweltschutz. Sie ist mit dem Vollzug des „klassischen“ Naturschutzrechts auf Bundes- und Landesebene befasst. Darüber hinaus wird im Bereich des Artenschutzes auch international geltendes Recht vollzogen. Zu den einzelnen Aufgaben gehören u.a. der Vollzug der Vorschriften zum allgemeinen und besonderen Artenschutz (wie z.B. die Beschränkung des Handels mit Elfenbein und geschützten Tierarten), der Vollzug naturschutzrechtlicher Verordnungen (z.B. Landschaftsschutzgebiets- Naturschutzgebietes- und Naturdenkmalverordnungen) oder die Ausweisung von Schutzgebieten im Rahmen naturschutzrechtlicher Inschutznahmeverfahren. Insbesondere wurde uns auch die Arbeit als Jurist:in bei der Stadt München als vielseitig und attraktiv ans Herz gelegt, da man in vielen verschiedenen Bereichen arbeiten kann und mit vielen Fachgebieten im Austausch steht. 3. Termin: Generaldirektion Umwelt der Europäischen Kommission Im Rahmen eines Zoom-Termins hatten wir die Gelegenheit mit einem Biologen der Generaldirektion für Umwelt der Europäischen Kommission zu sprechen, der an vielen Initiativen im Bereich Biodiversität mitgearbeitet hat. Die EU-Kommission hat das alleinige Initiativrecht für Gesetzgebungsverfahren der EU. Diese Initiativen werden von Wissenschaftler:innen detailliert und fundiert ausgearbeitet. Die EU befasst sich mit dem Thema Biodiversität, mit besonderem Augenmerk auf Bestäuber, da im Schnitt um die 20 bis 30% an deren Artenvielfalt pro Jahrzehnt verschwindet. So sind z.B. in Deutschland innerhalb der letzten 27 Jahre 75% der Biomasse der fliegenden Insekten in geschützten Gebieten verschwunden. Gerade Insekten sind von großer Bedeutung für Ökosysteme, da sie Pflanzen bestäuben und Nahrung für andere Tiere wie z.B. Vögel sind. Da Honigbienen aufgrund der Imkerei nicht gefährdet sind, beschäftigt sich die EU im Wesentlichen mit wilden Bestäubern. Im Rahmen des European Green Deal gibt es zwei besondere Strategien für Bestäuber, die Biodiversity Strategy for 2030 und die Farm to Fork Strategy. Diese sind sog. Soft Law, haben also keinen rechtlich bindenden Charakter, sondern sind ein Plan für die Kommission selbst, um anhand daran einzelne Rechtsinitiativen auszuarbeiten. Im Rahmen der Biodiversity Strategy gibt es die Pollinator Initiative, die ebenfalls nicht rechtlich bindend ist, aber ebenso einen Aktionsplan mit einer Vielzahl gezielter Einzelaktionen für die Kommission enthält, um Bestäuber zu fördern und zu schützen. Begleitend zu diesem Aktionsplan erging zum Beispiel im Juni 2022 der Rechtsvorschlag für das Renaturierungsgesetz (Verordnung zur Wiederherstellung der Natur). Dieses ist nun in den letzten Zügen der Annahme durch Parlament und Rat und sieht eine rechtliche Verpflichtung für die Mitgliedstaaten vor, den Verlust der Bestäubervielfalt umzukehren. Aufgrund der Farm to Fork Strategy brachte die Kommission einen Verordnungsvorschlag zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln, die sog. SUR ein, der leider vom Parlament im November 2023 abgelehnt worden ist. Dieser Vorschlag hätte einen Indikator eingeführt, um Risiko und Verwendung von Pestiziden zu messen, der dann reduziert werden muss. Dies hätte auch eine deutlich verbesserte Datenlage mit sich gebracht. Filmvorführung „Ein Himmel voller Bienen“ Außerdem gab es im Zuge des Grundlagenseminars noch die öffentliche Filmvorführung „Ein Himmel voller Bienen“ der Regisseurin Vanessa Weber von Schmoller aus dem Jahr 2022 an der LMU Diese wurde organsiert durch das Studienbüro und Frau Prof. Schmidt am Busch. Der Film reflektiert unter Anderem das Volksbegehren „Rettet die Bienen“ und schafft es, trotz des ernsten Themas die Zuschauer:innen zu motivieren, sich für den Artenschutz einzusetzen. Ein herzliches Dankeschön! An dieser Stelle möchten wir uns noch einmal bedanken bei all den engagierten Menschen, die uns so bereitwillig über ihre Arbeit erzählt haben und die uns und den Seminarteilnehmenden Rede und Antwort gestanden sind!
von Philip Ermacora 21. Februar 2024
Was haben die Bauernproteste, Galeria Kaufhof und die Intel Chipfabrik in Magdeburg gemeinsam? Sie alle stehen in einem direkten Zusammenhang mit staatlichen Wirtschaftssubventionen. In den vergangenen Jahren ist das Subventionsvolumen von 37,9 Mrd. Euro (2021) auf 67,1 Mrd. Euro (2024) gestiegen und macht damit mittlerweile 15% des gesamten Staatshaushaltes aus. Was genau sind aber Subventionen und was macht sie politisch so attraktiv? Subventionen sind alle vermögenswerten Zuwendungen des Staates oder eines anderen Verwaltungsträgers an private (juristische oder natürliche) Personen ohne marktmäßige Gegenleistung zur Förderung eines im öffentlichen Interesse liegenden Zwecks (vgl. Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2020, § 17, S. 484 Rn. 5). Als Instrument der Leistungsverwaltung bedarf es als Rechtsgrundlage lediglich einer Ausweisung im Haushalt. Die vergleichsweise sehr geringen rechtlichen Anforderungen verbunden mit der enormen Steuerungskraft machen Subventionen zu einem beliebten politischen Steuerungsinstrument. Inzwischen haben 60% der Subventionen einen positiven Bezug zu den Nachhaltigkeitszielen. Das heißt aber im Umkehrschluss auch, dass 40% einen neutralen oder sogar negativen Bezug zu den Nachhaltigkeitszielen haben. Wie schaffen wir es, Subventionen ökologisch nachhaltiger zu gestalten? Bisweilen verfolgen Subventionen ein Primärziel (z.B. die Rettung eines Unternehmens) und ein Sekundärziel in Form der Änderung eines Unternehmerverhaltens (z.B. Erhaltung von Arbeitsplätzen). Ein Ansatz wäre es, Subventionen mit dem weiteren Ziel, ökologisch nachhaltiger zu handeln, zu verknüpfen. Auf den ersten Blick verstößt diese Koppelung gegen Grundprinzipien des Rechts. So ist ein Verbot der Kopplung mit sachfremden Erwägungen bei Nebenbestimmungen zu Verwaltungsakten (Art. 36 III BayVwVfG), öffentlich-rechtlichen Verträgen (Art. 56 I 2 BayVwVfG) sowie bei Ermessenserwägungen unstrittig anerkannt. Die Grundrechte des Unternehmers, der an den Konditionierungszeck gebunden ist, könnten verletzt sein. Ferner birgt die Kopplung die Gefahr des Missbrauchs. Ein Eingriff in die Grundrechte könnte indes dann gerechtfertigt werden, wenn etwa der Saldo zwischen den Kosten der Nachhaltigkeitsverpflichtung und der Subvention positiv wäre. Ferner kann der Missbrauchsgefahr vorgebeugt werden, indem die Verpflichtung an ein Verfassungsgut rückgekoppelt wird. Im Fall der ökologischen Nachhaltigkeit kann auf die Staatszielbestimmung des Art. 20a GG zurückgegriffen werden. Am problematischsten gestaltet sich die Kopplung mit „sachfremden“ Erwägungen. Eine solide Rechtsgrundlage stellte ein Subventionsgesetz dar. Ein solches sieht sich indes dem Vorwurf ausgesetzt, den politischen Handlungsspielraum stark einzuschränken und ist politisch schwer umsetzbar. Alternativ könnte die Ausschreibung der Mittel im Haushaltsplan um ökologische Nachhaltigkeitsziele verknüpft werden. Wird der Zweck der Subvention im Haushaltsplan um Nachhaltigkeitsziele erweitert werden, sodass eine Nachhaltigkeitsverpflichtung nicht sachfremd wäre. Auch sind ökologisch nachhaltig geprägte Verwaltungsvorschriften denkbar. Das wirkungsvolle Instrument der Konditionierung von Wirtschaftssubventionen könnte einen erheblichen Beitrag zur ökologisch nachhaltigen Entwicklung leisten.  Wir danken Malin Nischwitz für diese sehr interessanten Einblicke in ihre Promotion.
von Michael Benning 23. November 2023
Am 24.10.2023 haben wir von RuN das erste Mal eine Veranstaltung im Rahmen des alljährlichen Klimaherbstes ( https://klimaherbst.de/ ) organisiert. Dem diesjährigen Oberth ema „Klimagerechtigkeit“ haben wir uns sowohl rechtswissenschaftlich als auch praxis- bzw. unternehmensorientiert gewidmet. Für die Veran staltung konnten wir mit Prof. Dr. Rüdiger Veil von der LMU München, Nawid Chamani von Finbridge GmbH & Co.KG und Benedikt Hoffmann von Baker Tilly Perspektiven aus der Wissenschaft, der Unternehmens- sowie der anwaltlichen Beratung gewinnen. Die drei Referenten gaben dem Publikum im Münchner Zukunftssalon jeweils im Rahmen eines ca. 20-minütigen Vortrags einen eigenen Blick auf die – insbesondere europarechtliche – Gesetzgebung zu den unternehmerischen Anforderungen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung. Nachdem Prof. Veil die juristischen Grundlagen sowie die Besonderheiten der neusten EU-Regelungen darstellte und deren langfristige Erfolgschancen bei der aktuellen Rechts- und Kompetenzlage auslotete, zeigte Herr Chamani, welcher konkrete – und komplexe – Aufwand in den Unternehmen entsteht, um die Nachhaltigkeitsanforderungen aus Brüssel zu erfüllen. Herr Hoffmann legte den Fokus sodann auf die steuerrechtliche Perspektive, indem er insbesondere mögliche Auswirkungen verschiedener unternehmerischer Anreize, die wirtschaftspolitisch bestehen bzw. neu geschaffen werden, auf eine langfristig nachhaltige Unternehmensführung herausarbeitete. Der Höhepunkt des Abends war schließlich die gemeinsame Diskussion. Nicht nur wurde über sehr interessierte und qualifizierte Fragen und Impulse aus dem Publikum – durchaus auch kontrovers – debattiert, vielmehr konnten die drei Referenten auch untereinander neue Ansichten und Blickwinkel gewinnen, sich mithin wissenschaftlich sowie praxisnah austauschen. Nicht zuletzt die angenehme Atmosphäre im Münchner Zukunftssalon führte zu einer regen Beteiligung sowie einem sehr offenen und branchenübergreifenden (Streit-)Gespräch über das, was bereits passiert und insbesondere noch passieren sollte, um Klimakosten von Unternehmen in einer globalisierten Weltwirtschaft festzustellen, zu internalisieren und schließlich zu reduzieren. Wir bedanken uns sehr herzlich bei den Podiumsteilnehmenden, dem Verein Netzwerk Klimaherbst sowie dem Münchner Zukunft ssalon für die Ermöglichung dieser inspirierenden Veranstaltung.
von Patricia Nonnenmacher 15. August 2023
Workshop "Kann der Staat Klimaschutz?"
von Patricia Nonnenmacher 27. Juli 2023
Teamwochenende Juni 2023
von Patricia Nonnenmacher, Lena Kannenberg 23. Mai 2023
Beitrag von Patricia Nonnenmacher und Lena Kannenberg
von 183:920646281 28. April 2023
Am 25.04.2023 veranstalteten RuN und Rescriptum gemeinsam die Podiumsdiskussion „Rechtlicher Umgang mit Klimaaktivismus – Bilanz und Ausblick“. Im Zentrum standen die wissenschaftlichen Problematiken und die praktische Handhabung der Klimaproteste von Vereinigungen wie der „Letzten Generation“. 
Weitere Beiträge
Share by: