Am 25.04.2023 veranstalteten RuN und Rescriptum gemeinsam die Podiumsdiskussion „Rechtlicher Umgang mit Klimaaktivismus – Bilanz und Ausblick“. Im Zentrum standen die wissenschaftlichen Problematiken und die praktische Handhabung der Klimaproteste von Vereinigungen wie der „Letzten Generation“.
Moderiert wurde die Veranstaltung von Patricia Nonnenmacher (RuN) und Kathrin Kessler (Rescriptum). Das Podium bildeten:
- Jochen Ringler, Strafverteidiger aus München, der unter anderem Mitglieder der „Letzten Generation“ in aktuellen Verfahren vertritt.
- Jana Wolf, die sich in ihrer Promotion insbesondere mit dem rechtfertigenden Klimanotstand nach § 34 StGB beschäftigt (Lehrstuhl Prof. Satzger).
- Yue Zhou, die zum Thema ,,Wehrhafte Demokratie“ promoviert (Lehrstuhl Prof. Kersten).
„Wieso sind wir heute hier?“
„Wieso sind wir heute hier?“. Mit dieser Frage leitet Kathrin Kessler die Veranstaltung ein. Knapp 80 Personen haben sich an diesem Abend um 19:00 Uhr in Raum 122 (Ludwigstraße 28, Rückgebäude) eingefunden. Erst am Montag, den 24.04.2023 legte die Klimaprotestgruppe „Letzte Generation“ mit mehr als 30 Protestaktionen den Verkehr in Berlin lahm. Die medienwirksamen Proteste spalten die Gesellschaft und sorgen für Diskurs – im privaten wie im öffentlichen Raum.
„Was Sie tun ist anerkennenswert - aber strafbar.“
Zu Beginn gibt Jochen Ringler einen Einblick in die Praxis der laufenden Strafverfahren. Er erzählt von Richter*innen, die zwiegespalten sind: „Was Sie tun ist anerkennswert- aber strafbar“ zitiert er einen Richter des AG München. Juristisch zwingend seien die Verurteilungen nicht. Trotzdem spricht das AG München die Klimaprotestierenden mit mehr oder weniger ausführlichen Begründungen einhellig schuldig.
Kernprobleme im rechtlichen Umgang mit Klimaaktivismus
Insbesondere die Nötigung, § 240 StGB, und der rechtfertigende Notstand, § 34 StGB, sind Gegenstand der Diskussion. Die Anwendung der sog. ,,Zweite-Reihe-Rechtsprechung“ im Rahmen des Gewaltbegriffs der Nötigung ist umstritten. Die Prüfung der Verwerflichkeitsklausel des § 240 Abs. 2 StGB und die Annahme eines rechtfertigenden ,,Klimanotstandes“ nach § 34 StGB, die von den Gerichten mit mehr oder weniger hohem Begründungsaufwand abgelehnt wird, eröffnen juristischen Spielraum für eine andere rechtliche Bewertung der Proteste. Ein besonderes Problem begründet der im Strafrecht geltende Vorrang des Gewaltmonopols, so Jana Wolf. Wenn der Staat ein eigenes Verfahren zur Lösung des Konflikts bereitstellt, ist grundsätzlich das Einschreiten Privater durch einen rechtfertigenden Notstand i.S.d. § 34 StGB gesperrt.
„Laut einer Umfrage der ARD finden 84 % der Bevölkerung die Protestaktionen ungerechtfertigt – Macht das den Protest undemokratisch?“
Laut Yue Zhou keineswegs, denn die Grundrechte, insbesondere das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit diene gerade dem Schutz der Minderheit und wo sollten die Proteste stattfinden, wenn nicht auf der Straße. Ein zentraler Vorwurf der Protestgruppen ist, die Politik sei zu langsam in der Umsetzung der verbindlichen Klimaziele. Dem Argument, die Protestierenden könnten eine Partei gründen und auf demokratisch legitimiertem Wege ihre Forderungen umsetzen, wird das im Klimaschutz zentrale kritische Zeitelement entgegengesetzt.
Ausblick
Mit Blick auf die Zukunft ist sich das Podium einig, dass Entscheidungen der hohen Gerichte abzuwarten sind, die den Ton für die zukünftige Behandlung des rechtlichen Umgangs mit Klimaaktivismus angeben. Zum Abschluss der Diskussion stellt ein Zuhörer die Frage, ob das demokratische System nicht aushalten müsse, dass die Umsetzung der Klimaziele lange dauert, auch wenn es am Ende möglicherweise zu spät sein könnte. Yue Zhou erinnert: Wir haben während der Coronapandemie gesehen, dass Demokratie schnell sein kann und dass Demokratie an sich nicht langsam ist. Wo ein Wille, da eben auch ein Weg. In jedem Fall erregen die Protestgruppen die Aufmerksamkeit der Bevölkerung. Auf Anerkennung oder Akzeptanz ihrer Aktionen seien sie nicht aus, so Jochen Ringler.
Der Abend endete mit einem kleinen Beisammensein im Café Puck.
Wir bedanken uns beim Lehrstuhl Satzger für die Unterstützung!
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Rescriptum ist eine studentische Rechtszeitschrift der LMU, die ihre kommende Ausgabe dem Thema ,,Recht und Nachhaltigkeit" widmet.
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